Ursprünglich hatte ich gedacht, so schnell wie möglich Deutschland zu verlassen, um das sommerliche Klima am Mittelmeer zu genießen. Das war mein Plan für den 30. August: Ab auf die Autobahn und gen Süden – so schnell die Ente fliegen mag.

Während des Frühstücks klingelte allerdings das Telefon.
Ein Todesfall in der Familie. Bestürzung. Trauer.

Natürlich weiß ich, dass der Tod zum Leben gehört wie die Geburt. Trotzdem war meine Reise zur Seidenstraße zunächst ganz weit weg. Meine Gedanken waren bei der Familie. Es war klar, dass ich nicht auf Reisen gehen würde, ohne mit der Familie vom Verstorbenen Abschied genommen zu haben.

Mit Trauerkleidung in der Ente starteten meine Frau und ich über Hamburg nach Norddeutschland. Die Sonne schien, wir kamen von einem Stau in den anderen und erreichten das Ziel nicht am gleichen Tag. Wir übernachteten in einem brandenburgischen Dorf in der Acadiane, schließlich habe ich sie auch für diese Zwecke ausgebaut.

Unterwegs gab es eine kurze Verzögerung. Die Zündspule der Acadiane überhitzte. Ich führte die “Reparatur” mit einem Coolpack durch, das eigentlich zum Kühlen von Entzündungen am eigenen Körper gedacht war.

Nach einem Tag der Abschiednahme mit vielen lieben Menschen ging es weiter Richtung Berlin. Am Brandenburger Tor gab es ein sehr hübsches Fotomotiv.

Eine weitere Station war Dresden. Ich mag diese Stadt sehr und gönnte mir auf der Terrasse des Dresdner Waldschlösschens eine Eierschecke mit Milchkaffee.

Die Stadt war voller Touristen. Kein Wunder – schließlich war es ein lauer Sommerabend, und es wurde am Zwinger zum Konzert mit Deutsch-Rock geladen.

Ich vergaß die Zeit und fragte mich, wie lange ich schon auf Reisen war. So ist es, wenn man mit nur 29 PS unterwegs ist. Das Zeitgefühl geht verloren, und es wird völlig unwichtig, ob ein Ziel erreicht werden soll.

Apropos Zeit. Mir ist aufgefallen, dass mein Protagonist Ulrich Schwartz nie auf seine Uhr schaut. Das wird sich ändern. Schließlich hat er als Bestatter Termine, die einzuhalten sind.
Deshalb rollte meine Acadiane nach dem Dresdner Rockkonzert durch das Erzgebirge nach Glashütte. Sieben führende Uhrenhersteller fabrizieren dort ganz wunderbare Chronometer. Ulrich Schwartz würde schon fündig werden. Es war bereits nach Mitternacht, ich parkte die Acadiane auf dem zentralen Platz der Stadt am Uhrenmuseum unter einer Laterne.

Am nächsten Morgen drangen die Sonntagsglocken durch das dünne Blech der Kastenente.
Kaffee!
Das war mein erster Gedanke beim Aufwachen. Doch es gab in Glashütte am Sonntag kein geöffnetes Café. Ich fragte einen Einheimischen. „Die haben hier nur Uhren im Kopf“, antwortete er.
Ich startete den Entenmotor und fuhr davon. Ulrich Schwartz bekam keine Gelegenheit, sich eine Armbanduhr auszusuchen.

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