Wegen eines Todesfalls in der Familie endete meine Seidenstraßen-Reise am Kaspischen Meer. Auf der gesamten Fahrt durch den Iran begleiteten mich Sympathien für mein Projekt und natürlich die Acadiane, die vor vielen Jahren als Limousine unter dem Namen Jihane in Persien produziert wurde.

Als ich meine Kasten-Ente im Mai 2015 nach sechs Monaten „Parkzeit“ in Dogubeyazit, einer kurdischen Kleinstadt an der iranischen Grenze, abholte, den Zündschlüssel drehte und das Tuckern des Zweizylinder-Motors hörte, kam wieder das Gefühl von Freiheit und Abenteuer auf, das mich von August bis November 2014 auf der Hinfahrt begleitet hatte. Die Sonne schien, die Temperaturen hatten T-Shirt-Werte erreicht und ich hatte einen wunderschönen Blick auf den Berg Ararat, auf dem der Legende nach Noah mit seiner Arche gestrandet sein soll.

Von da aus führte mich die Reise durch das türkische Herz des Kurdenlandes. In Erzurum legte ich eine Zwischenübernachtung ein. Zwei Wochen später sollte dort ein Sprengstoffanschlag stattfinden. Es war Wahlkampf in der Türkei. Die kurdische Partei HDP und Erdogans Gegenspieler mobilisierten alles, um die Menschen an die Wahlurnen zu bringen.
Die Gendarmerie hielt mich zwischendurch an, nicht um mich zu kontrollieren, sondern um Fotos zu schießen, die später auf den Facebook-Seiten der Polizisten erscheinen sollten.

Es war sehr heiß in Zentral-Anatolien, immer wieder kam es zu Hitzegewittern mit Hagelstürmen, die die Temperaturen um 10 Grad abkühlen ließen.

In der türkischen Hauptstadt Ankara machte ich einige Tage Station, ging auf den Bazar und lernte Iraker kennen, die vor dem Krieg mit der IS geflüchtet waren. Beinahe hätte ich einen Hundewelpen mitgebracht, wenn mich eine Bergisch Gladbacher Tierärztin nicht vor den heftigen Einfuhrbestimmungen gewarnt hätte.

Meine Reisekasse besserte ich an einem Abend als Schuhputzer auf.

Ab Ankara wurde ich am Steuer abgelöst, denn meine Frau war mir mit dem Flugzeug entgegengekommen. Über den Bosporus rollte die Acadiane wieder nach Europa. Wir übernachteten in Kirikareli, wo ein Katzenwelpe mit mir anbändelte. Auch diesen hätte ich beinahe einsteigen lassen, wenn …

Nach dem Grenzübertritt nach Bulgarien erwartete uns eines der größten Naturschutzgebiete Europas. Eine schmale Schlaglochpiste führte durch die dicht bewaldete Region. Uns begegneten u. a. wilde Pferde, Schlangen und Dachse, ohne dass wir auf die Pirsch gehen mussten. Diese „Straße“ ließ sich nur mit 10 bis 30 km/h befahren, sodass wir drei Stunden für etwa 80 km brauchten. Dennoch waren es Genussstunden; selten habe ich während einer Autofahrt eine so vielfältige Tierwelt beobachten können.

Am südlichen Sonnenstrand Bulgariens campten wir zwei Tage. Von einer Klippe aus hatten wir einen wunderschönen Blick auf die einsamen Buchten des Schwarzen Meeres. “This region is mystic”, erzählte uns ein Bulgare. Es gab nur wenige einheimische Touristen, die Ausländer haben diese Strände noch nicht entdeckt oder es ist zu mühsam, dort hinzugelangen.

Ganz anders war es an der Schwarzmeerküste um die Stadt Burgas. Eine Touristenhochburg, die man nicht gesehen haben muss. Varna zeigte sich jedoch von der beschaulichen Seite.

Wir verabschiedeten uns vom Schwarzen Meer und schafften die restliche Strecke von 2400 km in vier Tagen. Die Reiseroute führte in die bulgarische Hauptstadt Sofia, dann zum Grenzübergang nach Serbien. In Belgrad entdeckte ich einen 1972er VW-Bus T2, völlig verrostet, aber mit einer Menge Charme. Der Eigentümer wollte ihn nicht verkaufen.

Ungarns unausprechliche Städtenamen amüsierten uns immer wieder.

Nach dem Grenzübergang bei Wien erreichten wir das Euro-Land. Erstaunlich, wie diese Währung sofort das Gefühl von Lebensroutine aufkommen ließ. Das Hantieren mit fremden Geldscheinen und das Umrechnen der Preise entfiel. Das war zwar sehr bequem, aber irgendwie langweilig. Die deutsche Grenze fiel kaum noch auf. Wir mussten regelrecht nach ihr Ausschau halten, weil wir an der letzten österreichischen Tankstelle noch einmal günstig tanken wollten.

Schließlich war ich wieder daheim. Mit der Acadiane. Der Kilometerzähler zeigte, dass ich auf der Seidenstraße fast 14000 km zurückgelegt hatte. Siebzehn Länder hatte ich bereist. (Hinreise grün, Rückreise rot.) Vielen Menschen der unterschiedlichsten Kulturen war ich begegnet. Fast vier Monate habe ich in der Acadiane gelebt. Es war ein einfaches, aber spannendes Leben gewesen. Mehr braucht man auf Reisen nicht: Begegnungen mit Einheimischen. Sie haben mir gezeigt, wie sie essen, wie sie leben und lieben, was sie glücklich macht. Es waren immer die einfachen Dinge, die zählten. Niemand sprach vom Wohlstand.

Eines habe ich auf meiner Reise gelernt: Etwas weniger Religion, etwas weniger Patriotismus, mehr Akzeptanz der Kultur der anderen … Das wäre der Weg zu einem friedlichen Miteinander. Aber dafür scheint der Mensch nicht geschaffen zu sein. Nirgendwo!

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